Kakao und das Kinderherz
Teil 1
Meine ersten Erinnerungen an heissen Kakao führen mich nach Alt St. Johann. Damals ein kleines Bergdorf im oberen Toggenburg. Die Churfirsten als Hausberge auf der einen Seite, der Schafberg und der Säntis auf der anderen Seite.
Der Frisör war gleichzeitig auch Zahnarzt und Autos waren Raritäten.
Wir wuchsen in eher ärmlichen Verhältnisse auf. Der magere Lohn des Vaters reichte kaum aus, um die Familie zu ernähren. In dieser Zeit war es üblich, dass die Schweizer Armee, wenn die Truppen im Dorf eintrafen und ihre Küche bezogen hatte, den Dorfbewohnern die Möglichkeit bot, zweimal am Tag die “Essensreste” abholen zu können. Für uns waren diese Wochen immer mit grosser Vorfreude verbunden. Meist kamen die Truppen im Vorsommer und dann nochmals im Winter für einige Tage. Wir wussten bald mal: Es gibt feines Essen, dunkle Schokoladenstückchen, trockenes Gebäck und Kakao.
Den Geruch und den Geschmack dieses Kakaos lässt sich sofort abrufen. Eine ganze Erlebniswelt voller Gefühle blüht auf. Ja, selbst der Geschmack des Kakaos ist im Mund. Der warme, süsse Duft versprach jedes Mal einen warmen Bauch, ein Gefühl von genährt und satt sein.
Obschon der Kakao hauptsächlich mit Wasser und nur mit wenig Milch zubereitet war, er schmeckte mir! Es kam mir vor, als ob ich im Himmel der “süssen Köstlichkeiten” sei. Vor allem den Abendkakao habe ich damals sehr ins Herz geschlossen. Eine Kachel von ihm genüsslich getrunken, ein Lächeln, die Stille und Ruhe, mit der ich dann einschlafen konnte, sind tief in mir verankert.
Hier begann meine Liebe zum Kakao ihre ersten Wurzeln wachsen zu lassen.
Später zogen wir runter ins Tal in ein kleines Städtchen. Die ärmlichen Verhältnisse sind mit uns gekommen. Auch in dieser Zeit nutzen wir die Möglichkeit der Armeeküche und holten dort zweimal im Jahr für ein paar Tage zusätzliches Essen – Essen, dass wir mit Dankbarkeit genossen. Und natürlich war auch hier der heisse Kakao mit dabei, wässerig, mit Zucker gesüsst. Doch es war Kakao! Im Milcheimer trugen wir ihn nach Hause.
Der Weg zur Militärküche war hier um einiges weiter. Er führte einer Hauptstrasse entlang und an zahlreichen Häusern vorbei, in denen Schulkolleginnen und Schulkollegen wohnten. Jedes von ihnen wusste schon bald, dass wir zur Militärküche gehen, um uns Essen zu holen. Wie mir das bewusst wurde, wäre ich oftmals gerne zu Hause geblieben, um mich den Blicken entziehen zu können. Was mich dennoch, nebst dem elterlichen Wort, dazu anhielt, diesen Gang zu gehen, war hauptsächlich
die innige, stille Freude auf den heissen Kakao.
Fortsetzung folgt:
Meine Internatszeit und der Kakao