Die unzufriedene Rose
Geschrieben von Klaudia Gollenz
Eselpark Maltatal, Facebook-Seite
Es war einmal eine kleine Rose, die zur Familie der Hagebutten gehörte.
Diese kleine Rose wuchs an einem wunderschönen See mit kristallklarem Wasser, neben einer saftigen, grünen, gesunden Wiese und langweilte sich.
„Ach“, seufzte sie, „warum wachse ich nicht bei einem Schloss, in einem wunderschönen Schlossgarten. Dort könnten mich die vornehmen Herrschaften bewundern und mir sagen, wie schön ich bin.“
So seufzte die kleine Rose tage- und nächtelang vor sich hin.
Plötzlich hörte sie eine Stimme, die zu ihr sprach. Die kleine Rose war sehr erstaunt, denn sie konnte niemanden sehen.
„Wieso klagst und jammerst du den ganzen Tag? Sei dankbar, dass du an einem so heilen Platz wachsen und gedeihen darfst!“
„Wie kann ich dankbar sein, wenn ich jeden Tag das Gleiche sehe und mich nur die Kühe von der Wiese nebenan anstarren?“, fragte die kleine Rose zurück.
„Ja, wenn du das so siehst und dich hier unglücklich fühlst, dann werde ich dich zu einem schönen Schloss hin verpflanzen.“ So sprach die Stimme, die den Wunsch der kleinen Rose kannte.
Ehe die Rose sich versah, stand sie in einem schönen gepflegten Schlossgarten.
Sie war umgeben von Springbrunnen, Steinfiguren, zurückgestutzten Buxbäumen, wundervollen Kletterrosen, die an einem Spalier entlang wuchsen und vielen anderen Blumen, die in Reih und Glied da standen.
Die kleine Rose fühlte sich wie in einem Wunderland. Jetzt wollte sie sich mit all den schönen, gepflegten Blumen unterhalten.
Aber diese schauten sie nur abwesend an, hielten ihre Köpfe erhaben hoch und wandten sich von ihr ab.
„Nun“, dachte die kleine Rose, „sie werden schon noch mit mir sprechen. Ich bin ja noch neu hier und sie kennen mich noch nicht.“
Da irrte sie sich aber gewaltig! Es vergingen Tage und keiner sprach mit ihr!
Da fiel der kleinen Rose erst auf, dass hier überhaupt niemand sprach und eine Traurigkeit überkam sie.
Eines Nachmittags kam der Schlossgärtner. Die kleine Rose freute sich, dass endlich jemand zu ihr kam.
„Was haben wir denn hier?“, sprach er, „so etwas Ungepflegtes habe ich ja noch nie gesehen.“
Da nahm der Gärtner seine Schere und schnitt Zweige und Blätter von ihr ab.
Der kleinen Rose wurde angst und bange, aber es half ihr nichts.
Traurig und klein stand sie verlassen inmitten all der schönen Blumen und weinte bitterlich.
Da kam die Herrschaft, um die Blumen zu bewundern, doch ihre Blicke gingen leer über die Pracht hinweg.
Die kleine Rose wurde erst gar nicht bemerkt, es wurde niemand und nichts bemerkt.
„Ach“, seufzte und stöhnte sie, „könnte ich doch wieder an meinem schönen Teich stehen und den Kühen beim Grasen zusehen.“
Auf einmal war diese Stimme wieder neben ihr.
„Was ist denn, kleine Rose? Gefällt es dir hier nicht bei all den schönen, gepflegten Blumen und dem prachtvollen Schloss?“
„Nein! Lass mich wieder zurück zu meinem Teich, zur schönen Wiese und zu den netten Kühen. Bitte hilf mir!“, flehte sie.
Und wieder half ihr die Stimme. Einen Augenblick später stand die kleine Rose wieder an ihrem alten Platz.
Überglücklich betrachtete sie das kristallklare Wasser, die saftige Wiese, sie winkte den Kühen zu und sprach mit den anderen wildwachsenden Blumen.
„Bist du nun glücklich?“, fragte die Stimme die kleine Rose.
„Ja, vielen Dank, dass du mir die Augen geöffnet hast für all die Schönheiten ringsum. Wer bist du?“
„ICH BIN GOTT!“ antwortete die Stimme.
Erzählung: Klaudia Gollenz,
Eselpark Maltatal, Facebook-Seite
Fotos: Renato Strassmann, wegzeichen